Gibt es Gründe, das Thema ISK wieder aufzugreifen?

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Es gibt gute Gründe auf die Idee zu kommen, heute das Thema Internationaler Sozialistischer Kampfbund wieder aufzugreifen. Der ISK wurde im November 1925 in Göttingen von dem Philosophen Leonard Nelson gegründet. Aufgelöst wurde der Kampfbund offiziell im Dezember 1945. Würde er heute noch existieren, könnten wir Ende diesen Jahres sein 90jähriges Bestehen feiern. Diese relativ weitgespannte historische Dimension täuscht etwas darüber hinweg, dass der Einfluss des ISK sich nach 1945 bis in die Parteienlandschaft der neugegründeten Bundesrepublik hinein fortsetzte. Die ISKler, die aus dem Exil oder dem antifaschistischen Widerstand zurückkehrten, wie Heirich Düker oder Willi Eichler, übernahmen einflussreiche Funktionen in der Bundesrepublik.  Heinrich Düker wurde ein anerkannter Hochschullehrer in Marburg und – wenn auch widerwillig – von der englischen Besatzungsmacht als Oberbürgermeister in Göttingen eingesetzt. Willi Eichler und andere aktive ISKler wie Fritz Schmalz und die Mitglieder des ehemaligen Lehrerkampfbundes wurde nach 1945 erneut als Mitglieder in die SPD aufgenommen. Eichler wurde Chef der SPD-Programmkommission und  gestaltete die Parteiprogrammatik der Sozialdemokratischen Partei Deutschland ganz wesentlich mit. Dass Willy Brandt für ganz breite Wählerschichten als Bundeskanzler wählbar wurde, ist größtenteils sein Verdienst. Brandt lobte Eichler als Autor des Godesberger Parteiprogramms, das die Politikinhalte der SPD nicht nur für Arbeiter, sondern auch für Angestellte, Studenten und beispielsweise Künstler wählbar machte. (Harder, Vordenker. 2013, 7.) Dass Günther Grass zeitweise nicht mehr von der Seite Willy Brandts weichen wollte, zeigt auch die Anlehnungsbedürftigkeit des späteren Literaturnobelpreisträgers an die neugefasste linke Parteiprogrammatik  von Willi Eichler. (Grass, Tagebuch 1972). Vor 1945 gehörte der ISK zu einer der bedeutendsten antifaschistischen Kräfte, die von Willi Eichler aus dem Londoner Exil gesteuert wurde.

Wer sich in Göttingen für den ISK interessiert, hat wegen der Bedeutung der Universitätsstadt bei der Entstehung des Kampfbundes mit Sicherheit im lokalen Stadtarchiv eine der bedeutendsten Quellensammlungen in direkter Reichweite. Die Benutzerblätter einiger ISK-Akten im Stadtarchiv Göttingen zeigen, dass die Akten weder von der wissenschaftlichen Forschung der hiesigen Hochschule noch von den lokalen Heimatforschern ihrer Bedeutung nach bisher wahrgenommen wurden. (StadtAGö, Sekret Politische Polizei, in: Pol. Dir. Fach 155, Nr. 5, S. 1)  Auch das soll die Aufgabe dieses Blogs sein: einige verborgene Schätze des Göttinger Stadtarchivs zu Tage zu fördern und zugänglich zu machen.

Es gibt gute Gründe, das Thema ISK heute wieder aufzugreifen. Das Blog will auch die Bedeutung des ISK wieder aufwerten. In der SPD, vor allem im lokalen Ortsverein in Göttingen, neigten einige Parteimitglieder dazu, im ISK lediglich eine „Sekte“  (Duve, Im Volksheim, 1989, 73) zu sehen. Eine Ansammlung skurriler Menschen, die politisch fanatisiert auftraten und vegetarisch, antialkoholisch und zölibatär lebten. Auch die direkte Konfrontation einiger SPD-Mitglieder mit den rhetorisch geschulten ISK-Leuten hinterließ offenbar bei einigen nicht ISK-Mitgliedern traumatische Wirkungen. So berichtet Helga Grebing, dass die Aufnahme der noch aktiven ISK-Mitglieder nach 1945 in den Ortsverein nur den Erfolg hatte, dass die internen Parteiquerelen bis in die 60er Jahre nicht mehr enden wollten.  (Grebing, Anfänge nach 45, 2003, 73 ) Der ISK  war sicher mehr als eine Ansammlung von Sektierern, Querulanten und Sonderlingen.

Literaturverzeichnis:  Harder, Ernesto: Vordenker der ethischen Revolution. Willi Eichler und das Godesberger Programm. Bonn 2013.  ISK-Akte Sekret Politische Polizei 1926-1936, in: StadtAGö, Pol. Dir. Fach 155, Nr. 5, S. 1ff. Cornelia Duve u.a., Im Volksheim war immer etwas los, in: Duve, Cornelia, Göttingen ohne Gänselisel, Spangenberg 1989. Günter Grass, Aus dem Tagebuch einer Schnecke. Neuwied, Darmstadt 1972. Grebing, Helga, Die Anfänge nach 1945, in: Klaus Wettig, 130 Jahre Sozialdemokratie in Göttingen. Göttingen 2003, 72ff.

 

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